I. Vorbemerkung
Offensive Gewerkschaftspolitik nimmt den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit zum Ausgangspunkt. Bei allen Veränderungen innerhalb der Arbeitsgesellschaft müssen die Beschäftigten und die Erwerbslosen auch heute von ihrer Arbeitskraft leben und haben keine Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel.
Ihre Interessen materialisieren sich in der Eigentums-, Verfügungs- und Verteilungsfrage. Sie werden aus gewerkschaftlicher Sicht primär im Rahmen von tariflichen und betrieblichen Auseinandersetzungen bearbeitet. Diese Fragen aber auf betriebliche und tarifliche Auseinandersetzungen zu reduzieren, würde einem offensiven Politikansatz nicht gerecht. Offensive Gewerkschaftspolitik muss ein gesellschaftspolitisches Mandat für sich reklamieren und in der konkreten Politik umsetzen. Dies beinhaltet zum einen die öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung um Sozial- und Steuerpolitik; zum anderen auch in Zusammenarbeit mit DGB und anderen Gewerkschaften im Widerstand gegen kapitalistische Strukturen den Kampf um den Erhalt und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur auf kommunaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Dazu gehört auch der Kampf um die Gleichstellung von Frauen, um Frieden sowie für sozial- ökologischen Umbau, Demokratie und Selbstbestimmung.
Die IG Metall muss ihre Durchsetzungsmöglichkeiten und Grenzen realistisch einschätzen und beschreiben. Tut sie dies nicht, und stellt sie ihre Kraft überhöht dar, muss sie Verantwortung für gesellschaftliche Verhältnisse übernehmen, deren Gestaltung sie nur unzureichend beeinflussen kann. Es besteht die Gefahr, dass die IG Metall die Realität anders beschreibt, als sie von einem Großteil ihrer Mitglieder wahrgenommen wird und sich hierdurch von ihrer Mitgliedschaft entfernt. Letztlich kann dies zur Rechtfertigung von Verhältnissen führen, die nicht im Interesse der Mitglieder der IG Metall liegen.
II. Im Einzelnen
1. Antirassismus
Wenn die Geschäftsgrundlage gewerkschaftlichen Handels der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist, heißt das, dass Gewerkschaften sich gegen alle Spaltungslinien – angesichts der aktuellen Lage insbesondere gegen den Rassismus – wenden müssen. Das ist in der Theorie im gewerkschaftlichen Funktionärskörper Konsens. Doch in der Praxis hat sich die rechtspopulistische, zum Teil faschistische Ideologie in Teilen der Belegschaften eingenistet. Ein Teil der Funktionärinnen und Funktionäre stellt sich der Problematik nicht ausreichend.
Notwendig ist aber eine offensive Auseinandersetzung mit Rassismus, Neofaschismus und ihren parteipolitischen Repräsentanten, auch wenn dies nicht bei allen Mitgliedern unmittelbar auf Zustimmung trifft. Wir zeigen gegenüber rechten Ideologien und den Funktionären, die diese repräsentieren, klare Kante. Gleichzeitig versuchen wir, Verwirrte, gegenüber rechten Ideologien offene Kolleginnen und Kollegen für unsere Politik zu gewinnen, ohne Kompromisse in der Sache zu machen. Hierzu müssen wir uns auch mit den Motiven von Beschäftigten, die offen gegenüber rechtem Gedankengut sind, auseinandersetzen. Erforderlich sind entsprechende Schulungen, Werbematerialien und letztlich die Bereitschaft und Fähigkeit zum öffentlichen Auftritt.
Zugleich müssen wir unsere eigene Arbeit als Gewerkschaft in betrieblichen wie in politischen Fragen kritisch reflektieren. Wir müssen unsere Entscheidungen transparenter machen. Wir müssen ausreichende und vor allem richtige Angebote zur Beteiligung unserer Mitglieder und derjenigen, die wir für uns gewinnen wollen, machen. Wir müssen uns stärker konfliktbereit zeigen. Und uns deutlich von den „Bossen“ und dem politischen Establishment abgrenzen.
Das Engagement gegen rechtspopulistisches Gedankengut ist aus gewerkschaftlicher Sicht von zentraler Bedeutung. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass verschiedene rechtspopulistische Listen bzw. Kandidaten bei den BR-Wahlen 2018 antreten. Es muss daher auch mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen hinterlegt werden.
2. Für eine sozialökologische Wirtschafts- und Strukturpolitik
Deutschland hat eine exportorientierte Wirtschaft. Dort werden hochwertige und weltmarktfähige Produkte gefertigt. Damit dies so bleibt, muss der sozialökologische Umbau weiter vorangetrieben werden. Dies ist zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen unerlässlich. Der Investitionsbedarf für den Umbau ist enorm. Klar ist auch, dass mittel- und langfristig Arbeitsplätze gefährdet und vernichtet werden, wenn der Umbau nicht angegangen wird und die Konzerne weiter auf Technologien und Produktionsweisen setzen, die Klimawandel und die Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ignorieren. Wir müssen die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Es muss Schluss sein damit, dass die Profite privat eingestrichen werden und Umwelt und Soziales auf der Strecke bleiben. Dabei müssen wir dafür Sorge tragen, dass die erhebliche Produktivkraftentwicklung durch die zunehmende digitale Vernetzung (Industrie 4.0) entsprechend genutzt wird, anstatt sie dafür zu missbrauchen, den Ausbeutungsgrad der Beschäftigten zu erhöhen und den „gläsernen Beschäftigten“ zu schaffen.
Inakzeptabel ist es, dass die Exportorientierung mit einer immensen Importschwäche einhergeht. In der Folge entstehen Handelsungleichgewichte, die zu krisenhaften Entwicklungen innerhalb und außerhalb Europas führen. Offensive ökologische und nachhaltige Gewerkschaftspolitik muss dem entgegen wirken. Zum einen durch Stärkung der Massenkaufkraft (Tarif-, Steuer- und Sozialpolitik), auch durch die Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse, zum anderen durch eine offensive Wirtschafts- und Strukturpolitik auf nationaler und internationaler Ebene und einen handlungsfähigen Staat. Daher lehnen wir bilaterale „Frei-“ Handelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA, die auf die Deregulierung und Senkung der Sozial- und Umweltstandards durch eine reine Marktsteuerung zielen, ab. Wir wollen zu einer demokratischeren Weltwirtschaftsordnung beitragen und dabei die Eigentums- und Verteilungsfrage stellen.
Auf europäischer Ebene heißt dies, Europa muss sich neu begründen, oder es wird untergehen: Wir brauchen eine grundlegende Revision der europäischen Finanzarchitektur und der darauf basierenden Regeln innerhalb der EU, nicht zuletzt, um Strukturprogramme auflegen zu können, die einen Beitrag gegen die ökonomische und politische Schieflage in Europa leisten. Makroökonomische Steuerung und wirtschaftsdemokratische Elemente können dabei helfen. Wir brauchen auch mehr Zusammenarbeit der Gewerkschaften in Europa.
Auch auf nationaler Ebene stehen in den Betrieben große technologische, ökonomische und beschäftigungspolitische Veränderungen an, die eine aktive Begleitung durch die Wirtschafts- und Strukturpolitik verlangen. Dies beinhaltet auch ihre Demokratisierung. Der Verkehrssektor wird sich grundsätzlich wandeln müssen, wenn Mobilität um Umwelt in Einklang gebracht werden sollen. Interessen der Beschäftigten an gesunder Umwelt, gesellschaftlich sinnvollen Produkten und guter Arbeit müssen in Anlehnung an die Debatte um Auto-Umwelt-Verkehr aus den 1980er Jahren im Mittelpunkt stehen.
Mit Blick auf die Automobilindustrie heißt dies insbesondere:
- Demokratisierung der Automobilindustrie durch stärkere öffentliche Beteiligung und den Ausbau der betrieblichen und überbetrieblichen Mitbestimmung
- Erneuerung der industriellen Basis durch eine Zell- und Batterieproduktion, um automobile Wertschöpfung und Beschäftigung mittelfristig zu sichern.
- Umbau der Automobilindustrie hin zur Mobilitätsindustrie mit E-Autos, Sharing-Modellen im Nah- und Fernbereich u.a.
- Verbindung der Mobilitätswende mit einer regenerativen Energiewende
Darüber hinaus benötigen wir:
- Stärkung des öffentlichen Sektors, im schienengebundenen Nah- und Fernverkehr, bei der Verkehrsinfrastruktur sowie bei der Gas-, Wasser und Energieversorgung
- Keine Privatisierung der Autobahnen
- Ausbau der regenerativen Energien
- Stopp der Atomkraft und einen Plan zum Ausstieg aus fossilen Energien.
- Ein energetisches Gebäudesanierungsprogramm verknüpft mit einer Initiative für bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsräumen.
3. Steuer- und Sozialpolitik
Eine zentrale Funktion der Steuer- und Sozialpolitik ist es, die ungleiche Marktverteilung zu korrigieren. In den letzten Jahren hat zumindest die Steuerpolitik dazu beigetragen, die Schieflage bei der Verteilung zu verschärfen. Die Programmatik der IG Metall zielt dagegen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene auf eine stärkere Belastung der finanziell Leistungsfähigen (z.B. durch Vermögensteuer, Anhebung von Erbschaftsteuer- und Spitzensteuersätzen, Kapitalertragsteuer, Finanztransaktionsteuer, Gewerbesteuer, Stopfen von Steuerschlupflöchern…). Mehr Steuergerechtigkeit und eine breitere Finanzierungsbasis für öffentliche Investitionen ist das Ziel gewerkschaftlicher Steuerpolitik. Um den internationalen Wettlauf zur Senkung der Unternehmensbesteuerung zu durchbrechen, ist zumindest auf der europäischen Ebene eine Harmonisierung der Körperschaftsteuer mit der Vereinbarung von Mindeststeuersätzen notwendig.
Die Programmatik der IG Metall zielt zudem auf den Ausbau der Sozialversicherungen, eine Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit und eine gerechtere Finanzierung durch stärkere Einbeziehung der Kapitalseite sowie die Einführung einer einheitlichen Erwerbstätigenversicherung in der Rente und einer Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung. Dabei ist unerlässlich, dass jede Form der Erwerbsarbeit sozialversicherungspflichtig wird. In der Arbeitsmarktpolitik muss eine Kehrtwende hinsichtlich des Hartz IV-Regimes her: Der Ausbau des Niedriglohnsektors begünstigt die Unternehmen, schwächt die Kampfkraft der Gewerkschaften und führt zu unwürdigen Zuständen für die Betroffenen. Notwendig ist die Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere, die Wiederherstellung des Berufsschutzes, die deutliche Anhebung der Regelsätze sowie ein Sanktionsverbot, sofern das Existenzminimum unterschritten wird.
In der Praxis der IG Metall werden zum einen allerdings teilweise Maßnahmen protegiert, die dieser Programmatik entgegenstehen. Beispielsweise die Förderung von Entgeltumwandlung im Rahmen der Altersversorgung, die faktisch die zweite bzw. dritte Säule der Alterssicherung zu Lasten der ersten Säule (Gesetzliche Rente) sowie der anderen Sozialversicherungszweige privilegiert. Zum anderen wird politischen Rahmenbedingungen, die die gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit massiv beeinflussen, nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zu teil.
Offensive Gewerkschaftspolitik muss die eigene steuer- und sozialpolitische Programmatik aktiv, mit der Kraft der ganzen Organisation, in die politischen Auseinandersetzungen einbringen. In offenen Diskussionen ist diese Programmatik weiter zu präzisieren (z.B. ein Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung, mindestens in Höhe von 53 Prozent Netto vor Steuern). Erforderlich ist ebenso der Verzicht auf den Versuch, gesetzlichen Sozialabbau durch tarifpolitische Maßnahmen zu kompensieren.
4. Frieden und Abrüstung
Die IG Metall ist nach der Satzung auch für die Beschäftigten in der Rüstungs – bzw. Waffenindustrie zuständig.
Da gesellschaftspolitisch und auch in der IG Metall eine friedenspolitische Debatte in den Hintergrund getreten ist, müssen wir unseren gewerkschaftlichen Anspruch nach Frieden und Abrüstung und Fragen der Rüstungskonversion neu beleben. Friedenspolitische Vorstellungen müssen gegenüber Beschäftigungsinteressen innerhalb der Rüstungsindustrie dominieren, gleichwohl muss das Interesse der zurzeit in der Rüstungsindustrie Beschäftigten an guter und gut bezahlter Arbeit berücksichtigt werden.
Dazu ist es auch notwendig, die wirtschaftspolitische Dimension der Rüstungsindustrie zu bewerten und europäische Entwicklungen der Rüstungskonzentration einzuschätzen: Einerseits die Fusion der Panzerbauer KMW (Krauss-Maffei-Wegmann) mit dem französischen Staatskonzern Nexter und andererseits die Absicht der Italiener und Franzosen, ihre Marine-Werften zusammen zu führen.
Bundesweit sind 80.000 bis 100.000 Arbeitsplätze von der Rüstung abhängig. Die meisten Unternehmen in dieser Branche sind Mischkonzerne, die sowohl zivile, als auch Rüstungsgüter produzieren.
Die 2015 auf dem Gewerkschaftstag beschlossenen Anträge positionieren die IG Metall
- gegen Rüstungsexporte
- gegen die Ausweitung des Rüstungsetats
- gegen direkte oder indirekte Unterstützung von Kriegen oder kriegsähnlichen
- Handlungen
- für Projekte der Rüstungskonversion mit einem Konversionsfonds
In diesem Sinne ist es notwendig, die öffentliche und gewerkschaftsinterne Debatte wieder stärker zu führen, die Akteure stärker zu vernetzen und Alternativen zur Rüstung und für den Frieden zu formulieren und umzusetzen.
5. Tarif- und Betriebspolitik
Die Tarifpolitik der IG Metall hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass im Bereich der Metall- und Elektroindustrie der verteilungsneutrale Spielraum ausgeschöpft werden konnte. Zu ihrer Begründung wurde auf neue Parameter (Zielinflationsrate, Trendproduktivität statt realer Inflations- und Produktivitätsentwicklung) zurückgegriffen. Die Notwendigkeit der Umverteilung durch Tarifpolitik (offensive Begründung der Umverteilungskomponente) trat in den Hintergrund.
Durch die Hartz-Gesetzgebung und durch Optimierungs- und Verlagerungsdruck haben (gleichzeitig) Ausgliederungen sowie Leiharbeit und Werkverträge zu Lasten der Stammbelegschaften zugenommen. Dies hat den Druck auf die Tarif- und Betriebspolitik erhöht und die Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit der IG Metall geschwächt. Der Druck auf die Betriebs- und Tarifpolitik erhöht sich z.B. auch durch neue Steuerungsformen der Unternehmen, in deren Folge neue, vor allem psychische Belastungen auftreten und die Beschäftigten immer länger arbeiten. Hieraus ergeben sich neue Herausforderungen für gewerkschaftliche Arbeits-, Arbeitszeit- und Leistungspolitik.
Aufgabe der Tarifpolitik ist es, der umfassenden Vermarktlichung der Arbeitsbeziehungen und der einzelnen Beschäftigten entgegen zu wirken. Dies zielt auf die stärkere Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland, insbesondere auch die Angleichung zwischen West- und Ostdeutschland. Es zielt zugleich gegen die Ausfransung der Tariflandschaft.
Aufgabe der Tarifpolitik muss es zudem sein, die tarifpolitischen Auseinandersetzungen in ein gesamtgesellschaftliches Umverteilungskonzept (Umverteilung von Arbeitszeiten, Einkommen, Verfügungsrechten…) einzuordnen.
Tarifpolitik hat ferner die Aufgabe, vorhandene gesetzliche Regelungen zu verbessern, nicht aber über tarifdispositive Regelungen, wie sie beispielsweise im sogenannten Betriebsrentenstärkungsgesetz enthalten sind, durch Tarifverträge zu verschlechtern. Handlungsoption muss dabei immer sein, Umverteilung gemeinsam mit gesellschaftlicher Bewegung gegebenenfalls auch im Wege des Arbeitskampfes durchzusetzen.
Aufgabe der Tarif- und Betriebspolitik ist es zudem, der Spaltung von Belegschaften entgegen zu wirken und prekäre Beschäftigungsformen (Werkverträge, Leiharbeit, sachgrundlos befristete Beschäftigung, 450-Euro-Arbeit) zurückzudrängen. Gewerkschaftliche Interessenvertretung heißt, Vertretung aller Beschäftigten und nicht nur der Kernbelegschaften.
Offensive Betriebspolitik muss einen Beitrag dazu leisten, die jeweiligen Tarifergebnisse auch tatsächlich vor Ort umzusetzen. Hierfür ist es notwendig, mit den Beschäftigten gemeinsam zu handeln. Hierzu gehört der systematische Aufbau gewerkschaftlicher Strukturen durch die Nutzung von Mitgliederversammlungen und die Bildung von Vertrauenskörpern in den Betrieben. Die Mitglieder der IG Metall, ihre Interessen und Positionen stehen dabei im Mittelpunkt des gewerkschaftlichen Handelns. Sie entwickeln mit Unterstützung der Organisation gemeinsame Ansätze und Aktivitäten zur Durchsetzung ihrer Interessen und handeln danach.
6. Internationale Gewerkschaftsarbeit
Für das Kapital spielen Grenzen und Nationalstaaten eine geringe Rolle bei der Durchsetzung seiner Profitinteressen. Und internationale Konzerne treffen ihre Entscheidungen fast immer unabhängig von sozialen Erwägungen oder Verbundenheit mit regionalen oder nationalen Belegschaften.
Die nationale Wirtschafts-, Sozial-, Finanz- und Steuerpolitik und natürlich auch die Höhe und Entwicklung von Löhnen, Produktivität und Arbeitszeiten in den Ländern der Welt beeinflussen Investitionsströme und Standortentscheidungen.
Eine offensive Gewerkschaftspolitik kann daher nicht an Staatsgrenzen enden.
Internationale Zusammenarbeit von Gewerkschaften ist nicht nur eine Aufgabe von Spitzengremien und schon gar nicht darf sie sich in sonntäglichen Reden erschöpfen. Internationale Solidarität braucht, wenn sie wirksam werden soll, ein Gesicht und muss von der Basis her wachsen und gestärkt werden. Hierfür sind unmittelbare und persönliche Kontakte zwischen betrieblichen Gewerkschaftsaktivistinnen und -aktivisten – insbesondere in länderübergreifenden Konfliktfällen – aus Betrieben verschiedener Länder zu fördern und zu systematisieren.
Darüber hinaus ist jenseits von nationalen Egoismen die Koordinierungs- und Entscheidungs- Kompetenz der europäischen und internationalen Gewerkschaftszusammenschlüsse in tarifpolitischen Fragen aufzubauen.
Nicht Lohn- und Arbeitszeit-Dumping – aber auch nicht dauernde „Förderung der Wettbewerbsfähigkeit“ kann die Antwort auf die menschenfeindliche koordinierte Profitmaximierung des internationalen Kapitals sein. Offensive Gewerkschaftspolitik muss den solidarischen gewerkschaftlichen Zusammenschluss der abhängig Beschäftigten aller Länder in der täglichen Arbeit erfahrbar voranbringen.
7. Organisationspolitik
Die Organisationspolitik der IG Metall muss darauf ausgerichtet werden, Betriebe nachhaltig zu erschließen, indem Mitglieder beteiligt und dadurch befähigt werden, für ihre Interessen im Betrieb und in der Gesellschaft einzutreten. Zugleich muss das Spannungsverhältnis zwischen betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessen mit Blick auf die gesamte Branche und darüber hinaus transparent gemacht werden, um reale Beteiligung – soweit möglich – zu realisieren und Scheinbeteiligung zu vermeiden.
In den letzten Jahren ist in der IG Metall die Mitgliederentwicklung immer stärker in den Fokus gerückt worden. Dies hatte und hat seine Berechtigung, da eine mitgliederschwache Organisation zu wenig politische Kraft hat.
Aufgabe einer offensiven Gewerkschaftspolitik im Organisationsbereich ist es gleichwohl, das Verhältnis von Mittel und Zweck in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Die Mitgliederentwicklung ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel die Interessen der Beschäftigten wirksamer durchzusetzen. Insbesondere die Interessen von Frauen sind nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Erkenntnis muss auch Konsequenzen für die Organisationspolitik der IG Metall haben.
Erfolgreiche Mitgliederentwicklung steht im unmittelbaren Einklang mit einer offensiven und konfliktorischen Ausrichtung der gewerkschaftlichen Betriebs-, Tarif- und Gesellschaftspolitik.
Projekte und Geschäftsstellenstrukturen dürfen nicht nur an betriebswirtschaftlichen Kriterien gemessen werden, sondern auch an ihrer gesellschaftspolitischen Funktion. Es ist notwendig, innerhalb der IG Metall über die klassischen Strukturen hinaus Strukturen aufzubauen, die eine Beteiligung aller zulassen und diese regelmäßig auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen.
Hiermit soll die Diskussion über die Rolle der IG Metall, sowohl betriebs- und tarifpolitisch, als auch gesellschaftspolitisch, gefördert werden.
Bei aller notwendigen Unterschiedlichkeit in den Geschäftsstellen muss die IG Metall deutlich machen, wofür sie steht, im Bereich der Betriebs- und Tarifpolitik genauso wie im Bereich der Gesellschaftspolitik. Erfolgreiche Arbeit in den Betrieben ist ohne klar formulierte Gesellschaftskritik und –Politik nicht möglich.
Die Gewerkschaftliche Bildungsarbeit der IG Metall muss sich an den hier definierten gewerkschaftlichen Aufgaben orientieren. D.h., sie muss stärker als bisher den Interessengegensatz zum Ausgangspunkt nehmen und gesellschaftspolitische Fragen in den Fokus rücken. Sie darf sich nicht auf die Weiterbildung der Betriebsräte reduzieren, sondern muss – auch wenn dies kostenintensiv ist – die Vertrauensleutearbeit mit höherer Priorität behandeln.
8. Bündnis- und Lobbypolitik
Die Lobbykontakte der IG Metall zu Ministerien und Parlamenten sind gut ausgebaut und effizient. Gleichwohl stoßen sie an ihre Grenzen, wenn die Anliegen der IG Metall nicht durch gesellschaftliche Bewegungen und eigene organisationspolitische Kraft unterlegt werden.
Aufgabe ist es, Kontakte auf allen Ebenen (von lokal bis international) zu allen demokratischen Parteien (insbesondere zu denen, die sich konstruktiv auf gewerkschaftliche Programmatik beziehen) sowie zu NGOs, Sozialverbänden, Wissenschaft, Religionsgemeinschaften, Bürgerinitiativen etc. weiter zu entwickeln, gesellschaftliche Bewegungen aufzugreifen und auf Augenhöhe im Bündnis mit allen, die am Erhalt und Ausbau des Sozialstaates interessiert sind, öffentlichkeitswirksam zu agieren. Das stärkt uns in quantitativer Hinsicht, zugleich können intellektuelle Ressourcen besser gemeinsam genutzt und im Prozess der Zusammenarbeit gemeinsam politisch gelernt werden.
Dabei muss der DGB als Zusammenschluss der Gewerkschaften auf allen Ebenen eine wichtigere Rolle spielen. Er muss politisch, finanziell und personell gestärkt werden. Die großen gesellschafts- und sozialpolitischen Aufgaben lassen sich, trotz unterschiedlicher organisationspolitischer Interessen der einzelnen Gewerkschaften, nur gemeinsam bewältigen.
Die IG Metall muss hierbei als eine der stärksten Gewerkschaften im DGB und als außerparlamentarische Kraft wieder ein Sammelpunkt des gesellschaftlichen Widerstands werden und sich offensiv für eine Politik einsetzen, die die Interessen der Mehrheit der Menschen und nicht des Profits in den Mittelpunkt des politischen Handelns rückt.