Bericht OGP-ZOOMs 20.-24. November 2020

ZOOM-Veranstaltung mit Klaus Dörre: Die IG Metall in der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise – Herausforderungen und Perspektiven 21.11.2020

Ökonomisch-ökologische Zangenkrise

In dem Zoom mit 34 Kolleginnen und Kollegen erläuterte der Jenaer Soziologieprofessor Klaus Dörre seinen Begriff der ökonomisch-ökologischen Zangenkrise und ging ausführlich auf die daraus resultierenden Herausforderungen für die IG Metall ein.

Er stellte klar, dass der mit stetigem Wirtschaftswachstum im Kapitalismus verknüpfte Ressourcenverbrauch und CO2-Austoß an klare ökologische Grenzen stößt und warb für eine Nachhaltigkeitsrevolution.  

In Deutschland müsse diese besonders beim Individualverkehr ansetzen: u.a. wegen einer Modellpolitik, die vor allem auf schwere Wagen mit hohem Benzinverbrauch (wie SUVs) setze habe dieser seit Jahren nicht zu einer Reduzierung des CO2 Ausstoßes beigetragen.

Gleichzeitig dürfe man sich über die ökologische Nachhaltigkeit der E-Mobilität keine Illusionen machen. Sie bewege sich in etwa auf dem Niveau der neuesten Verbrenner. Dennoch werde der Umbau in Richtung E-Mobilität kommen und müsse gestaltet werden. Eigentlich notwendig wäre aber ein grundlegend verändertes nachhaltiges Verkehrsmodell, das u.a. auf einem Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs basieren und deutlich weniger Autos benötigen würde.

Rolle der Gewerkschaften

In der ökologischen Krise progressive Politik machen – für Klaus Dörre eine schwierige, aber zentrale Aufgabe der Gewerkschaften.

Linke Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wie die Initiative offensive Gewerkschaftspolitik müssten mit dazu beitragen, eine progressive Strategie zu entwickeln, die den Herausforderungen der Transformation offensiv begegnet und damit auch eine gesellschaftsgestaltende Funktion übernimmt.

Klaus Dörre hob positiv hervor, dass die IG Metall die Klimaziele des Pariser Abkommens vertritt und auf die Klimabewegung zugeht. In der Corona-Krise bestehe aber die Gefahr, dass diese Linie aufgeweicht werde. Die Forderung der IG Metall nach einer Subvention der Verbrenner sei ein Rückschritt gewesen. 

Eine Hinwendung zu Umweltthemen („climate turn“) sei für die IG Metall angesichts der Herausforderung des Umbaus der Industrie auch aus bündnispolitischen Gründen hilfreich.

Dass es in der Umweltbewegung Offenheit gegenüber einer Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gibt, unterstrich Klaus Dörre nachdrücklich. Er würde in Teilen der Umweltbewegung einen „labour turn“ beobachten, wie er beispielhaft in der Unterstützung der Tarifrunde im öffentlichen Nahverkehr durch Fridays for Future, aber auch an dem regen Interesse von BUND und anderen Organisationen an den Gewerkschaften deutlich werde.

Debatte und konkrete Ansätze

In der anschließenden Diskussion bestätigten einige Teilnehmer die Einschätzung von Klaus Dörre, dass viele Beschäftigte in der Automobilindustrie ein umfassendes Bewusstsein der Krise ihrer Branchen haben. Die Gewerkschaft könne mit ihnen daher ehrlich über das Ausmaß des sich abzeichnenden Wandels ihrer Branche sprechen, ohne an Ansehen zu verlieren.

Gerade mit Blick aus der Angestelltenarbeit wurde dafür plädiert, die Kompetenzen der Ingenieure in Bezug auf betriebliche Abläufe und Produktentwicklung für die Gewerkschaftsarbeit zu nutzen, zumal für viele dieser Kolleginnen und Kollegen ökologische Grundüberzeugungen hätten.

Erwähnt wurden in der Debatte aktuelle Konversionsinitiativen in vielen Betrieben. Diese seien es wert, auch wissenschaftlich genauer betrachtet und ausgewertet zu werden.

In Bezug auf Konversion wurde in der Diskussion immer wieder auf die Broschüre der IG Metall „Auto, Umwelt und Verkehr“ verwiesen und gefordert an die darin festgehaltene Konversionsdebatte der IG Metall in den 1980er Jahren anzuschließen.

Ein Beispiel für eine engere Zusammenarbeit mit der Umweltbewegung kam wiederum aus Frankfurt. Hier lud die IG Metall Geschäftsstelle die Umweltorganisationen vor Ort zu einem lokalen Ratschlag ein und ging so einen ersten Schritt in Richtung Austausch und Zusammenarbeit.

Präsentation von Klaus Dörre

Aktuelle Neuerscheinungen von Klaus Dörre zum Thema:

Arbeitsgruppen zu den Herausforderungen der IG Metall (23.11.2020)

In den thematischen Online-Arbeitsgruppen wurden in kleinerem Rahmen die Debatte mit Christiane Benner vorbereitet. Wir dokumentieren die gemeinsam erarbeiteten Fragen und Thesen.

AG 1: Die IG Metall vor der Tarifrunde 2021.

  1. Außenwirkung der Tarifbewegung

Wie beteiligen wir Bündnispartner? Welche Anforderungen haben wir an die Politik?

  • Qualifizierung

Wie gelingt es uns, das Thema Qualifizierung zur Bewältigung der Transformation tarifpolitisch zu begleiten?

  • Mobilisierung

Wie werden die vielen guten Beispiele, die es schon gibt, verbreitet? Welche Ideen/Konzepte gibt es schon? 

Präsentation

AG 2: Strukturwandel der Industrie – Transformation, Beschäftigungssicherung, Mitbestimmung.

  1. Wird die IG Metall eine Kampagne zur Wirtschaftsdemokratie starten so wie es der Gewerkschaftstag beschlossen hat?
  • Die jetzige Krise zeigt die Schwäche des bestehenden Wirtschaftssystems. Wird die IG Metall wieder Kapitalismus kritischer?
  • Der europäische Stahl soll ökologischer werden. Wie stellen wir sicher, dass diese gesellschaftspolitischen Ziele auch eingehalten werden?

Die Debatte in der Arbeitsgruppe wurde mit einem Input von Robert Sadowsky eröffnet. Er zeigte auf, dass wir uns derzeit in einer besonderen Situation befinden. In der Corona Pandemie sind wir weiterhin mit der Transformation, der Dekarbonisierung und der Digitalisierung der Arbeitswelt konfrontiert, um nur einige Herausforderungen zu nennen. Gleichzeitig befinden wir uns in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, auf die viele Unternehmen reflexartig mit der Ankündigung von Massenentlassungen, Standortverlagerungen und -schließungen reagieren.

Dabei stellt sich die Frage, ob aus unserer Sicht die Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze die wichtigste Aufgabe einer Gewerkschaft ist und ob Beschäftigungssicherung immer gleichbedeutend mit dem Verzicht von Beschäftigten auf tarifliche Leistungen einhergehen muss. Wie ist es bei alldem aber um die Demokratisierung der Wirtschaft bestellt? Erkaufen wir uns durch den Verzicht mehr Mitbestimmung?

Der aktuelle rechtliche Rahmen mit Betriebsverfassungsgesetz, Drittelbeteiligungsgesetz, Montanmitbestimmung und Mitbestimmungsgesetz bleibt widersprüchlich. Dient er der Einbindung der ArbeitnehmerInnen im Sinne des Kapitalinteresses oder kann er als Ausgangspunkt zur Mobilisierung für mehr Demokratie genutzt werden?

In der Diskussion zeigt sich die Bandbreite des Themas. Einig war man sich zum Schluss darin, dass die Forderung nach kleineren Schritten hin zu einer Demokratisierung der Wirtschaft nicht automatisch die bestehenden Widersprüche auflösen wird. Ohne klare Standortbestimmung und ohne einzufordern, dass unternehmerische Entscheidungen sozialen und ökologischen Kriterien unterworfen werden müssen, bleibt man bei der Mitbestimmung im Co-Management hängen. Hier muss auch die IG Metall mutiger werden und ihren Mitgliedern und Aktiven mehr politische Orientierung bieten.

Das Potenzial dafür ist da. In vielen Beteiligungsprozessen hat sich gezeigt, dass Beschäftigte durchaus in der Lage sind, weiter zu denken als ihre Manager. Natürlich ist auch eine solche auf Beteiligung und Selbstbestimmung der Beschäftigten setzende Veränderung in den Unternehmen nicht frei von Widersprüchen, aber auch hier wäre es im Zweifel Aufgabe unserer Gewerkschaft, vom Betrieb aus politisch zu denken, um zu verhindern, dass mehr Mitbestimmung lediglich zu einer Steigerung der Selbstausbeutung missbraucht wird.

Aus Sicht der Teilnehmenden der Arbeitsgruppe ist es wichtig, dass die IG Metall die Diskussion über die weitere Demokratisierung unserer Wirtschaft intensiviert und breit führt. Neben unmittelbaren Forderungen nach einer Veränderung der rechtlichen Grundlagen der Unternehmensmitbestimmung ist aber ebenso wichtig, eben jene soziale und ökologische Standortbestimmung einzufordern, damit wir uns nicht nur „….darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.( Lohn Preis Profit, Marx Engels Werke Bd 16 S.152)“

Präsentation

AG 3: Corona-Krise: Abwehrkampf oder neuer Anlauf für Daseinsvorsorge, soziale Absicherung und Umverteilung?

1. Wir brauchen eine sozialstaatliche Umverteilungskampagne mit der Generalbotschaft „Der Sozialstaat ist mehr wert als er kostet“. Diese Kampagne muss Bestandteil der Gesamtkampagne zur Transformation sein.

  • Wir brauchen Botschaften von Umverteilung, Vollversorgung, gerechter (paritätischer) halbe/halbe Finanzierung, Umlagefinanzierung statt Kasino usw.
  • Das muss sich symbolisch an konkreten Forderungen festmachen, z.B.:
    • Vermögensabgabe
    • Senkung statt Erhöhung der Rentengrenze (in Kombi mit Ausbildung)
    • Keine “Nachbesteuerung“ (Progressionsvorbehalt) des KuG
    • Wirkliche halbe/halbe Finanzierung der Krankenkasse
  • Die Kampagne muss im Bündnis mit allen DGB-Gewerkschaften, Initiativen etc. mit Blick auf die Bundestagswahl durchgeführt werden und von der Dimension her (vorbehaltlich Corona) der Fairwandel-Demo entsprechen.

Präsentation

ZOOM-Veranstaltung mit Christiane Benner

Tarifrunde, Transformation, Mitbestimmung – Wie bestreitet die IG Metall die laufenden Konflikte? 24.11.2020

Leider konnte auch die geplante Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit unserer Zweiten Vorsitzenden, Christiane Benner, nur virtuell stattfinden. Trotzdem wurde mit ihr eine spannende und lebhafte Diskussion geführt.

Zu Beginn wurden aus den drei Arbeitsgruppen, die am Vortag zusammengekommen waren, kurze Fragen und Anmerkungen zur Politik unserer IG Metall vorgetragen.

In ihrem anschließenden Referat (Link zu den Folien) behandelte Christiane vier Themenbereiche:

  • Die aktuelle Situation (wirtschaftlich, sozialpolitisch, Transformation)
  • Wie stellt sich die IG Metall tarif- und verteilungspolitisch auf?
  • Initiative Mitbestimmung und „fairwandel“
  • Stärkung gewerkschaftlicher Durchsetzungsmacht

Die anschließende Diskussion behandelte ein großes Themenspektrum vom Kampf gegen Rechts über Bündnisarbeit mit anderen sozialen Bewegungen, erweiterte Formen von basisorientierter Mitbestimmung, beteiligungsorientierten Formen gewerkschaftlichen Kampfes zur Bildung von Konflikterfahrung und Konfliktbewusstsein bis hin zur Frage, wie in den anstehenden Tarifrunden (Metall- und Elektro, Stahl, Textil) eine möglichst große Durchsetzungskraft erreicht werden kann.

Christiane Benner zum Kampf gegen Rechts: „Beteiligungserfahrung ist ein guter Schutz gegen Rechtspopulismus und antidemokratische Haltungen!“

Das Thema „Wirtschaftsdemokratie“ definierte Christiane so: „Hier braucht es eine Runderneuerung der Mitbestimmung – nicht nur ein Facelift. Ein gewaltiges Aufgabenpaket umfasst das Betriebsverfassungsrecht, die Unternehmensmitbestimmung und die Europäischen Betriebsräte. Z. B. muss der Interessenausgleich erzwingbar werden!“

Die Debatte zu diesen Themen muss jetzt in allen Gremien der IG Metall – wie DV, OV, TK, Beirat und Vorstand – geführt werden.

Bei der großen Übereinstimmung bezüglich der Ziele, die es zu erreichen gilt, so meinten abschließend die Diskussionsteilnehmenden und die Referentin, kommt es darauf an, auf allen Ebenen der Organisation eine reale Bewegung dafür zu entwickeln.

Dazu beizutragen, hat sich die Initiative für eine offensive Gewerkschaftspolitik zur Aufgabe gemacht.

Präsentation von Christiane Benner